Letztens war mir langweilig und ich hatte Hunger, außerdem war ich zickig drauf. Dann saß auch noch meine Mitbewohnerin in meiner Couchmulde und schrieb etwas in ein Heft. Ich sprang zu ihr hoch und versuchte, mich mittig aufs Papier zu legen. Sie schob mich leicht zur Seite und sagte:
“Nicht jetzt Felice, ich schreibe gerade meine Wünsche und Ziele fürs kommende Jahr auf.”
Die Liste war elendslang. Sie verkündete: “Im nächsten Jahr möchte ich unbedingt bewusster leben, bewusster genießen. Und überhaupt soll alles besser werden!”
Au ja, das wollte ich auch! Alles sollte besser werden! Ich sprang vom Sofa und trabte ins Schlafzimmer. Dort kletterte ich auf die Fensterbank, schleckte mir ein Sichtloch in das Kondenswasser auf der Scheibe und blickte hinaus. Ich musste dringend nachdenken. Mein Leben mehr genießen, ja, das sollte auch mein Ziel sein! Ich überlegte, wo ich anfangen könnte. Ich ging meinen Tagesablauf durch.
Morgens ist noch alles in Ordnung, da schlafe ich ja, meist in der wohlig weichen Kniekehle meiner Mitbewohnerin. Nachdem ihr Wecker abgeht, spüre ich ein ganz leichtes Streicheln zwischen meinen Ohren und sie versucht, sich möglichst unmerkbar aus dem Bett zu winden, um mich nur ja nicht zu stören. Das finde ich lieb. Dann rolle ich mich an jener Stelle zusammen, wo zuvor ihr warmer Körper gelegen hat, dort ist es am kuscheligsten. Schließlich schlafe ich wieder ein.
Irgendwann weckt mich der Hunger. Ich freue mich immer, wenn ich vom Bett springe und die Holzdiele im Übergang zum Vorraum leicht knarrt, wenn ich drauftrete. Das klingt so ähnlich wie “kwärrgsch”. Das gefällt mir, weil ich die Diele spüre und sie mich. Dann futtere ich ein wenig.
Nun folgt mein Rundgang durch die Wohnung. Ich inspiziere immer alles, es riecht jeden Tag anders und meistens sieht’s auch anders aus. Irgendwie ändert sich jedes Mal eine Kleinigkeit, ein Handtuch hängt woanders, ein Schuh liegt auf dem Teppich, ein anderes Parfum liegt in der Luft, eine Socke hängt tiefer vom Wäscheständer, ein neuer Staubfussel hat sich gebildet. Es ist alles so aufregend!
Meistens bekomme ich davon Durst. Aus meinem Wassertrog trinke ich nur in Ausnahmefällen. Lieber schlürfe ich etwas aus einer Pfütze, oder ich versuche mich an einem hängenden Tropfen, schlabbere an einem Eiszapfen oder aus einem grün gewordenen Pool. Ich tauche meine Pfote in das Wasser und schlecke sie ab. Das macht irre Spaß. Später döse ich meistens so vor mich hin, zur Entspannung. Entweder draußen in der Sonne, je nach Temperatur und Sonnenwinkel, oder im Wohnzimmer auf dem Teppich, auf dem Heizkörper, unter dem Heizkörper, am Schreibtisch, hinterm Fernseher oder eben in meiner Mulde. Also das genieße ich ziemlich.
Zu Mittag bekomme ich wieder Hunger und gehe einen Happen essen, aber nur einen. Den Rest versuche ich bei Jimmy und Petzi von gegenüber zu stibitzen. Ich pirsche mich an, hol mir was aus deren Schüssel und laufe davon. Das Futter schmeckt mir gar nicht so gut, aber Spaß macht es allemal. Jimmy ärgert sich köstlich.
Im Allgemeinen folgt dann eine ausgedehnte Fell-putz-und-schleck-Tour. Das kann dauern.
Danach schlafe ich entweder noch ein Stündchen oder ich hüpfe in Nachbars Garten, mache dort mein Geschäft, oder zwei. Sitze hier, schnüffle dort, beobachte die Vögel im Gezweig, amüsiere mich über Jimmy, der wieder mal vergeblich vor einem Mauseloch lauert. Also, das wäre mir entschieden zu blöd.
Am späteren Nachmittag warte ich dann bereits auf meine Mitbewohnerin, immer am Balkon. Dort bin ich so gern, dort fühle ich mich sicher. Höre ich dann ihr Auto, husche ich die Katzentreppe hinunter, lasse mich von ihr hochheben, wehre mich ein wenig, und gemeinsam betreten wir die Wohnung. Später gehe ich entweder nochmal aus, nachts ist ja alles so anders, oder ich nehme gleich meinen Platz auf dem Bett ein, zur baldigen gemeinsamen Nachtruhe.
Tja, so sieht mein durchschnittlicher Tag wohl aus.
Und nun bin ich frustriert und frage Sie: Wie kann jemals alles besser werden, wenn mein Leben perfekt ist?
Die Katzenstories sind zwischen 2012 und 2016 im Magazin all4pets als regelmäßige Kolumnen unter dem Titel “Felices Tagebuch” – Katzenjammer erschienen. Link zum Magazin: