Wir Menschen meinen ja im Allgemeinen, dass wir immer und überall recht viel zu sagen hätten. Obwohl wir meist nicht viel zu reden haben. Zumindest, wenn wir uns in einem Katzenhaushalt befinden. Da quasseln wir uns bei den felligen Genossen manchmal den Mund fusselig, während wir bereits jedes Wort im Nirvana verschwinden sehen. Daher gilt fächerübergreifend: Schweigen untergräbt unsere Autorität noch am wenigsten, speziell wenn uns keiner zuhört. Aber Schweigen ist nicht gleich Schweigen.
Seit meine Katze Felice nicht mehr das fluffige, quirrlige Wollknäuel ist, sondern die stattliche, ältere Dame, hat sie sich eine Art der Kommunikation angewöhnt, die mit minimalem Energieaufwand maximale Aufmerksamkeit erzeugt. Wenn sie etwa still hinter mir auftaucht und mir beim Aufräumen der Speisekammer zusieht, weil sich dort auch das Katzenfutter befindet, blickt sie mich erwartungsvoll an und meint dann: „…!“.
Dabei öffnet sie zwar das kleine Mäulchen, aber heraus kommt nichts. Kein Ton, kein Krächzen, kein Schnurren. Eher noch eine Art Gähnen. Es ist nicht etwa so, dass physische Unmöglichkeit bestünde. Denn das wiederum stellt sie regelmäßig unter Beweis. Da röhrt und grölt es dann aus irgendeiner uneinsehbaren Ecke der Wohnung, weil die Dame glaubt, die ganze Welt hätte sie verlassen, obwohl ihre beiden Menschen nur drei Meter weiter am Tisch sitzen. Oder des nächtens vor der Schlafzimmertüre, da fällt es recht schwer, das tonlose Miauen durch die geschlossene Türe wahrzunehmen, also muss Felice mit den Dezibel nach oben gehen.
Aber im Alltag vermeidet sie diesen unnötigen Aufwand. Manchmal liegt sie am Boden, ruht in sich und im Teppich, bis ich sie anspreche. Dann hebt sie den Kopf und sagt freudig: „…?“.
Oder sie schwänzelt zur Begrüßung zur Tür und antwortet auf mein erfreutes „Hallo Dicke“ mit „…!!“.
Sicher, wenn sie neben einem auf der Couch sitzt und die Streichelfrequenz ihrer Meinung nach zu niedrig ist, unterstreicht sie ihre stillen Worte durch regelmäßiges Pratzeln. Das fröhliche Spiel kennt jeder Katzenbesitzer: Streicheln. Pause. Pratzeln. Streicheln. Pause, Pratzeln… Und dazwischen tonloses Miauen.
Mein Mann und ich spekulieren schon lange über dieses Phänomen. Möchten Katzen etwa synchronisiert werden? Sind sie zu faul, den Ton aufzudrehen? Halten sie uns für zu primitiv, das Gesagte als Ganzes wahrzunehmen? Oder sind es nur die kunstaffinen Katzen, die Edvard Munchs „der Schrei“ täglich neu interpretieren? Wir haben nicht den leisesten Schimmer.
Allerdings hat auch mein Mann den praktischen Nutzen daraus für sich entdeckt.
Ich hab ihn letztens gefragt: „Duuu, was denkst du denn gerade?“.
Und er darauf: „…“.