Eigentlich leben wir Katzen hier in unserer Straße in recht gutem Einvernehmen. Ganz unten bei der Straßeneinfahrt lebt ein eitler Siamkater, der sich mordsmäßig was einbildet, weil er eine RASSEKATZE ist. Ich bin auch Rassekatze, für manchen vielleicht mehr Katze als Rasse, aber egal. Hübsch ist er allemal, der Kater, aber seine Besitzer nennen ihn Zipfelchen, was ihm peinlich ist, deshalb meidet er meist auch jeglichen Kontakt mit uns anderen. Etwas weiter oben wohnt ein Mischdingsbumsirgendwas-Kater, der mindestens hundert Jahre alt sein muss. Der bleibt auch eher für sich, wobei wir nie ganz sicher sind, ob wir es mittlerweile nicht schon mit seinem Sohn oder Enkelsohn zu tun haben. Und dann ist da noch Jimmy von gegenüber, den kennen Sie ja schon. Wir leben also sozusagen in optimaler Synergie, keiner geht dem anderen ungebührlich auf den Nerv. Bis vor kurzem!
Da saß ich ausgebreitet in meinem Pfefferminzbusch am Balkon, als ich drüben bei Jimmy ein wolliges Knäuel umher hüpfen sah. Klein, rot und schmarotzig! Plötzlich hörte ich ein tiefes Grollen, das langsam und bedrohlich lauter wurde. Ich erschrak, bis ich erkannte, dass es aus meinem Inneren kam. Mein Fell stand ab und ich drückte mich flach auf den Boden. Das entging auch meiner Mitbewohnerin nicht. Sie sagte: „Na, Felice, hast ihn schon entdeckt, was? Der Jimmy hat jetzt einen neuen Freund aus dem Tierheim, den Petzi!“
Petzi? Hä? Was war denn das für ein Name? Petzi aus dem Kinderfernsehen? Nasenpetzi? Ich musste mich sofort mit Jimmy zur Lagebesprechung treffen. Hurtig hoppelte ich die Katzentreppe hinunter und fand hinter einem Busch Sichtschutz, um unerkannt die Situation abzuchecken. Neben mir hörte ich ein Rascheln. Es war Jimmy. Auch er versteckte sich. Er klagte darüber, dass der Neue ihm tierisch auf den Wecker ging, nie von ihm abließ und am liebsten auf ihm, unter ihm oder neben ihm hockte. Wir beobachteten den Eindringling, bis uns der Hunger beide nach Hause trieb.
Am nächsten Morgen spazierte ich mein gesamtes Territorium ab und hinterließ so viel Eigenduft wie möglich. Der Rotzlöffel brauchte nicht zu glauben, dass er hier irgendwelche Meter hatte. Ich sah Jimmy, wie er schadenfroh auf dem hohen Tisch saß und der Nasenbär um ihn herum hüpfte, weil er noch zu doof war, um den Weg vom Fensterbrett auf den Tisch zu finden.
Ich war stolz auf Jimmy, dass er sich nicht einlullen ließ von dieser aufdringlichen Portion Flohzirkus. Am nächsten Tag allerdings traute ich meinen Pupillen nicht. Jimmy und Nasenpetzi balgten sich, eindeutig ohne Krallen! Ja, Jimmy schien sich sogar zu amüsieren, der Verräter! Na warte. Stolz, mit hocherhobenem Schnäutzchen schritt ich an beiden vorbei. Jimmy schämte sich eindeutig. Dann kam der Neue schon freudig auf mich zu und sprang mir ins Fell. So schnell war ich zu meinen besten Zeiten nicht die Katzentreppe hinaufgerannt. Ich säuberte mich bis zum Morgen. Das Spiel wiederholte sich die nächsten Tage. Nasenpetzi lauerte mir überall auf, bei meiner Morgentoilette, beim Vormittagsschaf, beim Mittagsschlaf, beim Nachmittagsschlaf und sogar, wenn ich mal groß musste. Er hüpfte, und sprang und schleckte, wo es nur ging. Furchtbar!
Eines Tages machte ich mich auf den Weg zum Morgenschläfchen. Irgendwas war anders. Kein Nasenpetzi weit und breit. Endlich Ruhe! Ich genoss diese sieben Minuten, dann wurde mir langweilig. Normalerweise hatten wir um diese Zeit schon fünf Runden ums Haus gedreht, er hatte an meinem Wassertrog geschlabbert, ich hatte ihm eine mitgegeben und war dann wütend ins Haus gerannt. Und jetzt? Womöglich war er vergiftet worden oder ein Jäger hatte ihn erwischt oder Zipfelchen hatte ihn annektiert. Am Nachmittag begann mich eine leichte Depression zu streifen.
Da hörte ich ein Auto antuckern und heraus sprang: Der Nasenbär. Er musste beim Tierarzt gewesen sein. Irgendetwas hörte ich krachen. Ach ja, es war der Stein, der mir vom Herzen fiel.
Selbstredend ignorierte ich den Balg.
Aber lieb war er schon, der Nasenpetzi!
Die Katzenstories sind zwischen 2012 und 2016 im Magazin all4pets als regelmäßige Kolumnen unter dem Titel “Felices Tagebuch” – Katzenjammer erschienen. Link zum Magazin: