Als ich meinen Schlüsselbund aus der Handtasche holen wollte, fiel mir ein, dass die Schlösser bereits ausgetauscht worden waren. Sicherheitsschlösser sind heute ein Muss, hatte der Makler gesagt. Sicherheitsschlösser! Ich musste schmunzeln. In dieser ruhigen, friedlichen, beinahe schon verschrobenen Gegend, in der die Häuser nicht mal einen Zaun um ihr Grundstück duldeten, war es schon eine Sensation, wenn die Müllabfuhr dienstags nicht exakt zwischen neun und halb elf vor der Tür stand.
Der Makler hätte den Schlüssen außen stecken lassen können, und der nächste Vertreter wäre mit dem Hinweis wieder von Dannen gezogen: “Bitte Schlüssel abziehen, gefährlich”.
Ich bückte mich und hob die graue Eckfliese mit dem Sprung hoch, der sich wie eine perfekt gezeichnete Diagonale mittendurch zog. Unterhalb befand sich ein kleiner Hohlraum, darin lag, jungfräulich und glänzend, ein neuer Schlüssel. Wenn man diese grobe raue Betonfliese betrachtet, meint man wohl, sie müsse durch ein schweres Gewicht zu Bruch gegangen sein. Tatsächlich war der Riss plötzlich einfach da gewesen, in meiner Erinnerung jedenfalls.
Aufgefallen war er mir erstmals vor tausend Jahren an einem nasskalten unfreundlichen Morgen, viel zu früh, um sich auf Schuldinge konzentrieren zu können, vor allem, wenn man gerade hochpubertierend sein ganzes Leben auf und ab denkt. Mir war eine Münze aus meiner Geldbörse gefallen, die Münze, die ich auf einer Schulreise in die Toskana auf der Straße gefunden hatte und seitdem bei mir trug, weil sie mich an Sonne und Leichtigkeit erinnerte. Sie fiel auf den Boden, und da bemerkte ich den Riss. Sicher, niemals hatte die Münze etwas damit zu tun! Der Sprung ist wahrscheinlich über Monate, vielleicht sogar über Jahre hinweg immer tiefer in das Material gewachsen, hervorgerufen durch Kälte, Hitze, Nässe und Leben. Aber mir schien es damals wie eine zufällige Bemerkung meines Unterbewusstseins. Ein Fingerzeig. Die Münze fällt, der Riss entsteht, alles wird anders, alles wird neu. Die Theatralik des Erwachsenwerdens hatte mich damals gerade recht heftig in ihren Fängen. Und dieser Riss stand als Sinnbild für Veränderung, zumindest für mich als Dreizehnjährige. Außerdem konnte man darunter wunderbar kleine Botschaften verstecken.
Eigentlich hatte ich dem Makler mein Geheimnis nur verraten, um unsere Interaktionen bequemer zu gestalten.
Ich drehte den blanken Schlüssel im Schloss und öffnete die schwere Holztüre mit den vergilbten Scheiben. Aus alter Gewohnheit wollte ich meine Tasche auf der Kommode neben dem Eingang ablegen, aber da war natürlich keine mehr.
Es roch vertraut, aber vielleicht war es auch nur mein Gehirn, das mich buchstäblich an der Nase herumführte: Hier, dieses Haus, da die Küche, dort das Wohnzimmer mit dem geöffnete Balken hinaus in den grün bewachsenen Garten, da oben die Schlafzimmer, da drüben die große Glasfront, das ist alles noch da, also muss es auch so riechen.
Ich schloss kurz die Augen. Ich roch den Staub unter den Deckenbalken, den leichten Ölgeruch des Heizungskessels im Kellergewölbe. Ich roch den Kastanienbaum neben dem kleinen Arbeitszimmer, dessen Zweige mein Vater vergeblich jedes Jahr von neuem zurückgeschnitten hatte. Schon nach wenigen Monaten reckten sich seine Arme wieder in unsere Fester, so als wollte der Baum damit sagen: “Ich war zuerst hier, niemand vertreibt mich!”
Als Kind hatte ich mich vor diesem dunklen Raum gefürchtet, später habe ich ihn geliebt.
Mit acht hatte ich mich hinter dem großen Ledersessel versteckt und wurde dadurch unfreiwillig Zeuge, wie mein Vater, dieser stolze, große Mann, wie ein kleiner Junge weinte, als seine Mutter starb. Es war ein hohes, qualvolles Weinen, ein Weinen, dass mich damals zutiefst verstörte und an das ich mich erst viel, viel später wieder erinnerte, als ich mitgeweint hatte, als wir alle geweint hatten. Nur mein Bruder nicht, denn um ihn hatten wir getrauert.
Ich strich mit meiner Handfläche über die poröse Wand. Alle Wände würden frisch gestrichen werden, die Installationen erneuert, die Böden abgeschliffen, alles Routine, hatte der Makler gesagt. Kein Problem, das Haus sei in null komma nichts verkauft!
Wie leicht das gesagt ist, wie schnell das geht. Nullkommanichts, mir nichts dir nichts, Ruckzuck, ein Hauch, ein Atemzug. Ein Haus, ein komplettes Paket, befüllt mit Leben, Tod, Erinnerungen und Nebensächlichkeiten wird übergeben als leere Verpackung mit Möglichkeiten und in einigen Jahren oder Jahrzehnten wieder voll sein mit Dasein.
Jetzt war Frühling.
Trennungen in warmen Jahreszeiten sind mir immer schon leichter gefallen. Sie scheinen mir wie ein gutartiges Geschwür, es ist da und nicht unbedingt wünschenswert, aber der Rest rundherum ist gesund und in Ordnung. Die Wärme der Jahreszeit ist wie ein Trost, ein Versprechen, es wird wieder gut. Trennungen im Herbst hingegen sind wie Krebs mit Metastasen, man versucht ihn zwar herauszuschneiden, aber es bringt nichts, weil in der Umgebung auch alles kaputt ist, alles weh tut.
Ich hatte zugestimmt, dass die Entrümplungsfirma alles entsorgen könnte, dennoch war das eine oder andere übrig geblieben, wo bedachte Handwerker wohl Erinnerung wähnten und es nicht gewagt hatten, die Dinge ihrem natürlichen Ende zuzuführen.
Im hellen Wohnzimmer, wo meine Schritte laut und hohl klangen, stand eine Karton, auf dem mit dicker schwarzer Schrift geschrieben stand ‚Bitte durchsehen, Rest wird entsorgt‘.
Es war irritierend, denn in den letzten Jahren hatte an exakt derselben Stelle ein tiefer Lehnstuhl gestanden und tagein tagaus war eine Frau darin gesessen. Sie war mir nicht direkt fremd gewesen, aber wenn nach dem glockigen Lachen irgendwann auch das Weinen schwindet und nur mehr ein leer scheinendes Wesen übrigbleibt, eine Hülle, wird aus der Mutter irgendwann die Frau.
Ihr Blick war manchmal hinaus ins satte Grün geglitten, blieb am Nussbaum hängen, strich über die Wiesen, den Oleander und die Weite. Das war dann ein guter Tag. Oft aber öffnete sie die Augen tagelang nicht, als lebte es sich leichter ohne diesen Schnick Schnack um sie herum, ohne die Oberflächlichkeiten, hell dunkel, viel wenig, groß klein, was hieß das schon…
Die Fensterscheiben waren verstaubt. An den Wänden zeichneten sich dunkle Schmutzränder ab, wie eine Geisterkulisse, die Aura der Möbel, die hier einst geweilt hatten, die Sitzbank, das Klaviers, die Stellagen. . .
Vor Jahren hatten sich hier Büchertürme an den Wänden gestapelt, weil die Regale die Massen an Schriften nicht mehr fassen konnten.
“Alles fließt” blieb mir als Leitspruch meines Vaters in Erinnerung. Es gab keinen alten Philosophen, der nicht bei uns zu Haus zumindest einmal zitiert, gelesen, diskutiert oder wenigstens ignoriert wurde. Meine Mutter hatte versucht, die Bücher immer wieder irgendwo unterzubringen, weil sie es ungehörig fand, Bücher am Boden zu stapeln.
Das war jedoch sinnlos, da jeden Monat unzählige Exemplare hinzugekommen waren. Als mein Vater starb, nahm ich viele der Bücher mit zu mir. Meine Mutter lachte, als sie das erste Mal meine Wohnung betrat und die Türme an den Wänden sah.
Als Kind hatte ich mir mit den Büchern oft Mauern und Häuser und meine Puppenküche gebaut, wenn mein Vater bei der Arbeit war. Einmal kam er früher als erwartet nach Hause und stand plötzlich im Wohnzimmer, während ich gerade der kleinen Poppy mit den Ringellocken das Fläschchen gab. Poppy konnte “Ich habe Hunger”, “Mami” und “das schmeckt so gut” sagen. Ich erschrak und wartete auf eine laute Strafpredigt. Die Puppe hielt ich fest umklammert. Poppy konnte nichts dafür. Mein Vater blickte ernst auf mich herab, sein Mantel roch nach Büro, für meine kleine Kindernase war das immer ein etwas bedrohlicher Geruch. Er vermittelte Geschäftigkeit, Erwachsenenhektik, alles, wovon ich noch keine Ahnung hatte.
Dann bückte er sich, nahm eines der Exemplare, die ich als Untersetzer für Poppys Fläschchen genommen hatte, schlug es auf und fragte mich: “Hast du ihr schon eine Gute Nach Geschichte vorgelesen?” Ich sah ihn mit großen Augen an und war mir nicht sicher, ob dies die Einleitung zur erwarteten Schimpftirade sein sollte.
Doch dann setzte sich mein Vater zu mir auf den Boden und begann mir vorzulesen. Er sprach von Gott, von den Menschen, von der Liebe und dem Lieben, er erzählte von Hass, Traurigkeit und Stolz. Heute weiß ich, dass er nicht gelesen, sondern mir einfach Dinge erzählt hatte, die ihm offenbar wichtig waren, die er aber im alltäglichen Zusammensein nicht zu erwähnen wagte, selbst nicht, als ich älter wurde, und der Vater Tochter Cocktail an Intensität und auch Explosivität zunahm.
Ich hörte ihm gebannt zu, verstand aber in Wirklichkeit kein Wort, das war aber nicht wichtig. Wichtig war, dass er mir mein Haus nicht kaputt gemacht hatte, wichtig war, dass er Poppy eine Geschichte vorgelesen hatte.
Viel später dann habe ich nicht Poppy sondern meiner Mutter vorgelesen. Ich versuchte vertraute Ausdrücke zu gebrauchen, Namen, Begriffe, mit Emotion behaftete Worte, um den kleinen noch lebendigen Teil in ihr zu erreichen. Manchmal tat sie mir den Gefallen und sah mich direkt an, hielt meinem Blick für wenige Sekunden stand, bis ihrer schließlich durch mich hindurch fiel und im Nirgendwo hängenblieb.
Ich trat wieder in den Vorraum. An der Stelle, wo die Kommode gestanden war, löste sich die Bodenleiste und lies im Raum dahinter eine graue Staubschicht erkennen. Ich sah etwas glitzern, eine Büroklammer, dann einen abgebrochenen Bleistift und einen rosa Zettel. Ich bückte mich, und hob ihn auf. Es war ein alter Notizzettel mit blau geschnörkelten verblichenen Ornamenten, ein bekannt vertrautes Gefühl durchströmte mich. Dieser Notizblock war unendlich viele Jahre, eigentlich, seit ich denken konnte, neben dem Telefon gelegen. Festnetztelefon, Viertelanschluss, welch ein Anachronismus heute. Hier wurde bei enervierenden Telefongesprächen zackig gekritzelt, bei schmachtenden Anrufen rund und weich gemalt und eben auch das eine oder andere notiert.
Ich erkannte die Schrift meiner Mutter:
1 Packg. Rosinen
2 x Margarine
Butter
1 Packg. ger. Nüsse
glattes Mehl
Darunter war der Zettel abgerissen, ich konnte noch etwas wie “Zucker” oder auch “Zimt” erkennen.
Ein alter Einkaufszettel. Irgendwie freute ich mich. Ich überflog nochmals die Artikel, das klang nach dem Nussstrudel meiner Mutter. Und das war nicht ein Nussstrudel, das war DER Nussstrudel.
Ich glaube, irgendwie hielt er unsere Familie tatsächlich all die Jahre zusammen. Wenn im Ofen dieses runde, fette Ding am Backblech hockte, durchströmte uns gemeinsam mit diesem köstlichen Zimtzuckerduft dasselbe Gefühl: Heimat. Ja, tatsächlich, so pathetisch das klingen mag, der runde Strudel machte unsere Familie vollständig, meine Eltern, meine Brüder und mich. Allerdings würzte ich immer mit Kardamom nach. Niemand meiner Familie mochte das Gewürz, ich liebte es. Dass ich das vergessen hatte!
Ich steckte den Zettel ein.
Der Spiegel im Vorraum war noch nicht abgehängt und offensichtlich das letzte Möbelstück im Haus. Ich stellte mich davor. Spiegel waren etwas Seltsames. Nicht im mystischen Sinne, sondern ganz pragmatisch. Wie viele tausende Male bin ich davor gestanden.
Mit meiner ersten Kindergartentasche, die rosa und blaue Glitzersteinchen am Riemen hatte, und die ich lediglich drei Tage lang trug, weil sie mir Benno Wildner vom Arm gerissen und in die Mädchentoilette geschmissen hatte.
Oder meine Eltern, am Abend des Schulabschlussballs meines Bruders. Sie haben sich gegenseitig vom Spiegel verdrängt, geschubst und gekichert, während ich trotzig und sehnsüchtig zusah, weil ich nicht mitdurfte.
Dieser Spiegel kennt mich womöglich besser als jeder andere. Er sah, wie ich wuchs, wie ich aufwuchs, sah mein Haar länger werden, dann wieder kürzer, sah es hochgesteckt, braun, rot, gesträhnt. Er sah mich nackt. Und er sah mich auch bloß, wenn ich nach einem vollgepfropft trägen Tag meine Maske abgenommen und ihm und damit mir selbst direkt in meine blanke Seele geblickt hatte. Er sah mich nach meinem ersten Kuss, rotbackig und verklärt und nach dem letzten “Mach‘s gut”, wütend und verweint.
Er sah die ersten Anzeichen der Krankheit meiner Mutter, hat Momente aufbewahrt, die sie schon lange verloren hatte, er sah die Tränen von uns allen, als mein Bruder starb.
Und jetzt, jetzt sah er eine Frau, die unschlüssig dastand, irgendwie im Niemandsland steckengeblieben war, als wäre die Fähre in die Zukunft ohne sie gefahren.
Diese Frau blickte mich an, als würde sie fragen: “Und jetzt? Was hast du erwartet?”
Tja, was hatte ich erwartet?
Vor Monaten, als ich begonnen hatte, alles zu sortieren und zu ordnen, packte ich mehreren Kartons mit allerhand Krimskrams ein, Erinnerungen, Bilder, Gegenstände und Notizen. Vielleicht in der Hoffnung, mit diesem Teil der Vergangenheit nun endlich einen Baustein für die Zukunft legen zu können. Als ich jedoch alles ins Auto verfrachtet hatte, überlegte ich es mir anders und fuhr direkt zum Müllabladeplatz der Stadt.
Was sollte ich auch mit dem Krempel? Glaubte ich wirklich, mit all diesen Dingen aus den verlebten Räumen die leeren Zimmer meiner Zukunft füllen zu können? Nur um mich dann mit dem Gefühl zu betrügen, es sei alles gut?
Was hatte ich also erwartet?
Mit dem Verkauf dieses Hauses verschwand ein Teil meiner Selbst, das war klar, aber ich bedauerte es nicht, allerdings wusste ich nicht, was nun kommen sollte. Und das erschreckte mich.
Vor dem oberen Stockwerk fürchtete ich mich ein wenig. Ein abgedroschenes Gefühl streifte mich, wie eine Plattitüde blieb es in meinem Kopf hängen. Altes Zimmer, Kinderzimmer, Mädchenzimmer, ein Zimmer mit Vergangenheit, wie alle Zimmer dieser Welt.
Bei der ersten Stufe erkannte ich über dem Lichtschalter die Schrift meines Vaters.
Irgendwann hatte er angefangen, Gedanken, die ihm wichtig waren, einfach auf die Mauer zu kritzeln. Unleserlich, aber mit einer seltsam künstlerischen, beinahe absichtlichen Note. Jetzt wirkten die Schriftzüge wie Ornamente. Und jedem Wort, das er geschrieben hatte, war eine Rüge meiner Mutter gefolgt. Klar, einfach auf Wände schreiben, das ging doch nicht! Dennoch habe ich einmal beobachtet, wie sorgsam meine Mutter beim Saubermachen den Lichtschalter und die Stellen rund um die literarischen Ergüsse meines Vaters reinigte, um ja nicht einen Spritzer Putzmittel auf die Wände zu bekommen und so das Gesamtbild zu verfälschen.
Ja, sie liebte ihn, mit all seinen Verrücktheiten und all seinen Marotten, verbarg dies aber leider viel zu oft hinter ihrer Mutterfassade.
Ich beschloss, nicht nach oben zu gehen. Da oben war noch viel mehr Vergangenheit und davon hatte ich nun wirklich genug.
Ich wanderte nochmals ins Wohnzimmer und blickte in den Garten.
Vor einigen Jahren war im Winter ein großer Ast des ehrwürdigen Nussbaumes abgebrochen. Aber nicht etwa im Sturm, sondern der Schneefall war damals so heftig gewesen, dass die ältlichen Arme meines Lieblingsbaums die Last nicht mehr tragen konnten. Zu viel, zu schwer, zu alt.
Auf diesem Ast hatte ich unzählige Sommer in meiner Hängematte verbracht, geschaukelt, geschlafen, gelesen, sinniert oder geweint. Einen Meter über dem Rasen war ich regelmäßig in ein Stück Freiheit gestiegen, so hatte es sich tatsächlich angefühlt. Als der Ast herunter brach, war es wie mit der grauen Fließe beim Eingang, es schien Bedeutung zu haben. Ein Bruch, ein Riss, ein Stillstand.
Woher dieses Sackgassengefühl kam, wusste ich selbst nicht, es hatte sich entwickelt, über Jahre hinweg aufgehäuft. Dass nun dieses Haus verkauft werden würde, hatte ich als Möglichkeit gesehen. Aber diese Idee ging wohl nicht auf.
Ein abschließender Blick rundum brachte keine neuen Erkenntnis, ich beschloss ‚Leb wohl‘ zu sagen und verließ meine Vergangenheit. Den Inhalt der Kiste mitten im Raum ließ ich unbeschaut stehen, hier war nichts drinnen, was ich mitnehmen konnte. Im ganzen Haus war nichts, das ich mitnehmen konnte. Hier gab es nur ein “davor”, was ich benötigte war ein “danach”.
Ich schloss die Türe hinter mir zu und legte den Schlüssel, der zukünftig für überragende Sicherheit sorgen würde, wieder in sein Versteck. In meiner Jacke tastete ich nach dem rosa Zettel.
Ich las nochmals die Notizen meiner Mutter, eine Packung Rosinen, Margarine, Butter,. . .
Gedankenverloren drehte ich das Blatt um. Da stand, in der bekannt krakeligen Schrift meines Vaters “Alles fließt“. Nein eigentlich stand da “Alles fließ”. Beim “t” war der Zettel abgerissen.
Alles fließ, eine Art Imperativ, im Sinne von “alles möge fließen”. Das klang schön. Das klang nach Absicht, nach Bewegung, nach Veränderung, nach Hängemattenfreiheit. Es klang wie “danach”.
Meine Stimmung hob sich. Ich stieg ins Auto. Heute Abend würde ich den Nussstrudel meiner Mutter ausprobieren. Ich würde versuchen, ihn genauso zu backen, wie sie es über Jahrzehnte hinweg getan hatte.
Mit einer Ausnahme, ich würde viel, viel Kardamom verwenden!