Das große Missverständnis

2024-01-30T09:16:01+00:00Von |Total Verkatzt|

Vor kurzem saß ich mit einer Freundin froh und zufrieden bei Kaffee und Sonnenschein in meinem Lieblingslokal. Nichts kündigte einen Sturm an, alles schien weichgezeichnet. Schließlich setzte sich eine ältere Dame an den Nebentisch, samt weiß braun gesprenkeltem Jack Russel Terrier. Entzücken im ganzen Umkreis. Auch bei mir, obwohl ich ausgewiesener Katzennarr bin. Irgendwann sagte meine Freundin dann: „Hm, also ich bin ein totaler Hundemensch, weil Katzen sind ja so….“ Und ich dachte mir: „Sag‘s nicht, sag‘s nicht!!“
„…falsch!“, tönte es dann mit dumpfem Knall in meine Gehörgänge.
‚Katzen sind falsch‘ – der Todesstoß für jeden Katzenliebhaber, der Nägelaufroller, der Kreide-an-der-Tafel-Quietscher, der Chilifinger im Augapfel, einfach der schrecklichste Satz nach „Es liegt nicht an dir…“, den es auf der ganzen Welt gibt.
Wie kommt es, dass sich diese Mär so hartnäckig hält? Sind wir noch immer von den Kindheitsmärchen geprägt, wo die Ente hässlich ist, der Wolf böse und die Ziege doof? Aber selbst bei den Brehmer Stadtmusikanten war die Katze doch ganz vorne dabei, und vertrieb mit ihrer Clique die völlig uncoolen Räuber.
Tatsache ist, alles Unheil beginnt, wenn wir Menschen versuchen von uns auf andere zu schließen.
Wenn uns eine Bekannte ihr neues, recht knackwurstiges Cocktailkleid vorführt, sagen wir: „Wie toll!“ Wenn wir uns nach mehr Zweisamkeit mit unserem Partner sehnen, sagen wir: „Schatz, arbeite nicht so viel, DU musst dich schonen.“
Und wenn uns die Großtante zum Abendessen einlädt, und uns, wie jedes Mal, als Beilage Blaukraut vorsetzt, obwohl uns seit Schülerhortzeiten davor graust, meinen wir: „Hm, schmeckt aber gut.“ Vielleicht wagen wir ein „interessant“ oder „speziell“, aber „Jetzt muss ich mich gleich übergeben!“, ist wohl eher selten dabei.
Natürlich empfinden wir Katzen als falsch. Weil sie so unfassbar echt sind!
Wir Menschen sind es gewohnt, zu übersetzen. Also, wenn wir A sagen, meinen wir B. Wenn wir B hören, ist uns unterbewusst klar, es ist C gemeint.
Doch dieser Übersetzungsschlüssel funktioniert bei Katzen nicht.
Katzen schnurren, Katzen murren. Sie fauchen und kratzen. Sie springen, sie hüpfen. Manchmal sind sie hysterisch, manchmal lethargisch. Sie pupsen, sie riechen aus dem Mund, sie kuscheln oder zeigen dir die kalte Schulter. Wenn sie raus wollen, kratzen sie an der Tür, wenn sie rein wollen, ebenso. Wollen sie Futter, weißt du es, wollen sie gekrault werden, zeigen sie es.
Wenn unser Timing nicht ihres ist, hauen sie ab. Wenn doch, hocken sie fünf Minuten später wieder auf deinem Schoß. Oder deinem Schreibtisch. Oder deinem Laptop, je nachdem. Nichts daran ist ungewöhnlich, nichts daran gespielt. Nichts vorgetäuscht.
Eine Katze tut nicht so, als ob. Das mache ich.
Ich tue nämlich so, als hätte ich nicht schon den ganzen Abend sehnsüchtig darauf gewartet, dass sie aufs Bett hüpft, sich genüsslich räkelt, sich auf meinem Bauch zusammenrollt, ihren Schnurrsingsang beginnt und ich dann endlich seelenruhig einschlafen kann.