Sie können gerne, aber Sie müssen nicht

2018-11-18T15:43:42+00:00Von |Interviews|

Sein Programm “zu wahr, um schön zu sein” hat sich wohl in die Herzen seiner frühesten Fans gebrannt und das Zwerchfell ordentlich gefordert.
Heute lassen er und Kollege Jaus mit “unerhört solide” wohl kein Auge trocken.
Folgendes Interview habe ich mit dem Künstler 2012 nach einem seiner Auftritte geführt. Ein spritziges, buntes und ziemlich lustiges Gespräch mit dem heute Dreißigjährigen.

(Das Interview ist 2012 im Magazin Living Culture erschienen)

“Oa spoan”, gemeint ist natürlich das sparsame Haushalten mit Hühnereiern (was denken Sie denn!), ist bei seinen Auftritten und mittlerweile auch auf YouTube der Renner. Letztes Jahr war Paul Pizzera noch angehender “Bachelorianer”, heuer ist er gut- und meist ausgebuchter Kabarettist. Letztes Jahr war er Gewinner des Grazer Kleinkunstvogels, heuer ist er bereits bei derselben Agentur wie auch Thomas Stipsits und Martin Puntigam sind und hat über 140 Auftritte im Jahr, sowohl mit seinem Solo Programm “Zu wahr, um schön zu sein”, als auch im Viererpack im Zuge der “Langen Nacht des Kabaretts” – Tour 2012.

Sein urweststeirisches Mundwerk im eleganten Übergang zum Nach-Der-Schrift-Wortwitz löst keine Lacher aus, sondern meist Brüller und dann wieder stilles Schmunzeln, denn seine Themen sind Leben, Vergangenheit, Alltag und Erinnerung. Und jeder hat wohl schon bei Oma gegessen, den aufgewärmten Schweinsbraten über sich ergehen lassen, um zumindest die regelmäßigen 100 Euro abzugreifen. Und jeder ist danach noch mit Mon Cherie abgefüttert worden. Paul Pizzera, erst 23 jung, 1,96 cm groß, voller Hingabe an sein Metier und im Singen seiner Muttersprache dermaßen verbunden, dass es eine Labsal ist, die Worte “Reabeidln”, “Scheaf” und “Seichal” über sich hinwegklingen zu lassen. Und gleich nach den ersten Applausbekundungen wendet er sich bescheiden ans Publikum: “Sie können gerne, aber Sie müssen nicht.”
Ein sehr amikales Gespräch mit dem steirischen Jungkabarettisten direkt nach seinem Auftritt im Schloss Dornhofen.

Wie geht es dir jetzt?
Danke gut, vollgepumpt mit Adrenalin, aber super!

Kurz zu deinem Namen, ist das ein Künstlername?
Nein, mein Ururururgroßopa war aus Spanien, hat Pizzaro geheißen, ist dann nach Italien gegangen und aus “aro” ist “ero” geworden. Der Bua von ihm kam schließlich nach Voitsberg und hat eine Ziegelfabrik aufgemacht. Die hat er dann in Grund und Boden gewirtschaftet. (Anm.: Daraus könnte wohl das Lied “oa spoan” resultieren)

Wieviele gibts denn noch von euch?
Also, einen Bus kriegen wir net mehr zamm, in Österreich etwa 80, bald wahrscheinlich nur mehr 50. . .

Das ging ja alles sehr schnell mit deiner Karriere. Wie fing es denn an?
Ich hab zuerst im Theatercafe in Graz gearbeitet und dort relativ viele Kleinkünstler gesehen. Das hat mir einfach dermaßen imponiert, dass ich mir gedacht hab, das will ich auch machen.

Du hast beim Wettbewerb zum Grazer Kleinkunstvogel mitgemacht.
Genau. Ich hab meine Sachen geschrieben, zwanzig Minuten Programm gemacht und, na ja, gewonnen. Das war letzten Mai. Später hab ich noch bei zwei anderen Bewerben mitgemacht und auch gewonnen. Und dann war eh schon die Agentur da.

Die haben also dich angesprochen?
Ja genau, die finden einen immer. Dann hat es geheißen, Ende Oktober muss das Programm fertig sein. Ich hab gedacht, wurscht, es muss ja nicht jedem gefallen, aber es soll keiner sagen, es is a Schaß! Und dann war ich plötzlich in Niederösterreich, im Kabarett Niedermair, vor 200 Leuten, und signierte ein Plakat von mir, das war innerhalb von vier Monaten. Ich bin einfach voll dankbar, und ich hab echt Glück gehabt!

Du hast ja auch studiert, wie sieht es jetzt damit aus?
Ich habe, Gott sei Dank, den Bachelor noch fertig gemacht, damit ich wenigstens irgendwas hab, aber unitechnisch geht es sich jetzt einfach nicht mehr aus.

Dein Programm nennt sich “Zu wahr, um schön zu sein”. Was ist für dich zu schön um wahr zu sein?
Boa, da müsste ich wahrscheinlich 50 sein, um das beantworten zu können. Also da fällt mir jetzt echt nix ein. Kannst ja schreiben: Verließ kommentarlos den Raum. . . (lacht)

Warst du immer schon ein Gagreißer?
Menschen zum Lachen zu bringen, ist einfach das Coolste, egal ob 10 oder 200 Leute wie heute! Und ich denk mir, wenn da jetzt nur einer raus geht, der locker und befreit ist, dann hast was Gutes gemacht. Das finde ich einfach schön, weil ich selbst gerne lache.

Du lachst ja auch während deines Programms.
Ja, weil manchmal vom Publikum so komische Sachen kommen. Wenn einer einiplärrt und das wiederholt, was ich sag, da muss ich einfach lachen.

Bist du im Vorfeld nervös?
Ich bin vor jedem Auftritt extrem nervös. Das schlimmste war im Kabarett Niedermair, da hab ich nach dem Düringer gespielt und wirklich drei Schachteln Zigaretten geraucht und zweimal fast g’spieben.

Wie schafft man das dann trotzdem?
Man ist einfach viel konzentrierter. Ich denk mir, wenn ich nicht mehr nervös bin, sollt ich was anderes machen.

Wie lautet die erste Zeile von “Oa spoan” genau? Ich hab die einfach nicht verstanden.
Also: Blaueln – das ist so etwas wie Safran, das kannst essen-, Fleckmöl – eine Art Einbrennsuppe- Schuastaloab – ein Laib Brot – hob’n die Reabeitln – die Kinder – gschobt – gegessen – olletog, Scheafln – Schuhe – Ritscherl Suppn und a Seichal – mit dem seiht man die Suppe normalerweise ab – san fost zfül gwedn – also, da ist halt das Finanzielle flöten gegangen, da braucht man jetzt a bissl a Fantasie – er moant, er kann gor nix dafier. No a Restl Maischn ausm Piperl zupft. . .

Den Rest habe ich dann wieder verstanden, aber wie zupft man denn bitte das letzte Restl Maischn ausm Piperl?
Man zutzelts mitm Mund aus der Flasche.

Du sprichst eine geniale Mischung aus urigstem Weststeirisch und Schriftdeutsch.
Ich glaub, man muss einfach beides können. Die Mama hat immer Hochdeutsch g’red mit mir und die Oma hat immer sehr böllt.

Wie sieht es mit einer Freundin aus?
Derzeit geht sich eine Freundin einfach nicht aus, ich bin ja von Donnerstag bis Sonntag unterwegs.

Das müsste dann wohl jemand von der Tour sein.
Hm, na ja, die Mädels, die mit auf Tour sind, sagen wir mal so, sind aus einem eher rustikaleren Genre.

Welche Lacher sind dir eigentlich die Liebsten, eher die Sickerer, die direkten oder die stillen?
Natürlich taugst mir am meisten, wenn es schallendes Gelächter gibt und Zwischenapplaus. Aber bei manchen Liedern ist es mir lieber, dass man in sich hinein schmunzelt und denkt: Recht hat er!

Zum Abschluss: Gibt es eine Frage, die du gerne allen Politikern bei den aktuellen Sommergesprächen im ORF stellen würdest?
Ja, und zwar: Was ist für Sie zu schön, um wahr zu sein? Da haben wir dann den dramaturgischen Bogen wieder geschlossen. . .

Link zum erschienen Interview: