Wir Frauen. Schon immer wollte ich eine Geschichte so beginnen. Wir Frauen, wunderbar. Es gibt nichts schöneres, als in einer Welt voller Klischees eines auszuwählen, es breitzutreten, dann einen Schritt auf die Seite zu machen und darüber zu schreiben, im Sinne von „Seht her, was für ein Klischee!” Und dann kann man alles reinpacken, was man möchte, mit der Tarnung, ist ja nur ein Klischee, und keiner weiß tatsächlich, wie viele eigene Wahrheiten man in diesen Teig mit hinein knetet. Das ist ein fulminanter Genuss, das Schutzschild eines jeden Schreiberlings oder seines Ablegers. Aber dies auch nur zur Einleitung.
Wir Frauen also neigen dazu, eingebettet in ein liebendes System (Katze, Ehemann und Geschirrspüler – Reihenfolge je nach Tagesverfassung) manchmal allerlei Allüren zu entwickeln, wenn wir das Gefühl haben, dass uns die ungeteilte Aufmerksamkeit zeitweilig entzogen wird. Kokette Spaßeleien, die unheimlich nervig sein können, aber für den Nerver, also zum Beispiel für mich, ultimativ lustig und entspannend. Und das kann sich dann in etwa so abspielen:
Mein Mann arbeitet. Und wenn er arbeiten muss, was er meist vor dem Computer tut, arbeitet er tatsächlich. Es ist nicht wie bei mir, wenn der Bildschirm hell erleuchtet ist, ein blankes Dokument, geschönt mit einigen hingetippselten Worten, vor mir prangt, ich an meinen Nägeln knabbere, das Zimmer in Gedanken neu einrichte, aufs Klo muss, einen Kaffee brauche, aufs Handy schaue, und, und, und. Nein, er arbeitet WIRKLICH. Ein wahrer Jäger und Sammler (juhu, noch eine Plattitüde) Nun gut, auf jeden Fall wird mir das oft erst dann bewusst, wenn ich etwas zu ihm sage, wie z.B.:
„Du, super wäre, wenn wir noch vor dem Wochenende die Kaffeemaschinen entkalken, dann haben wir für unsere Gäste auch tatsächlich Kaffee innerhalb einer Stunde!“ Darauf er: „Und weißt’, was noch super wäre, wenn ich den Auftrag hier abschließen könnte!“ Er sagt das keineswegs ungehalten, eher lächelnd, aber doch bestimmt. Was zu folgeschweren Handlungen meinerseits führt.
Zunächst mal sage ich nur: „Ah so, T‘schuldigung, lass dich schon arbeiten.“ Das klingt dann möglichst kleinmädchenhaft und süß. Je süßer umso gut. Dann schwänzle ich so neben ihm vorbei, komme wieder zurück, stelle mich hinter ihn und frage zuckersüß: „Was musst denn machen?“
An dem Seufzen, bevor er seinen Antwortsatz formuliert, merke ich, er beherrscht sich. „Ich muss das für den Kunden XY bis morgen früh fertig haben.“ Das „früh“ klingt meist etwas langgezogen.
„Assooooo“, mein „o“ ziehe ich auch lang. Dann setz ich mich wieder zu meinem Laptop und starre hinein. Mir ist warm, ich brauch ein Cola, oder besser einen Prosecco. „Magst auch was trinken?“, frage ich im Vorbeigehen. Pause. Ich höre nur Tippen, dann Druckergeräusche.
„Magst auch einen Prosi?“, frage ich nochmal, etwas lauter.
„Nein.“ Und dann nach ein paar Sekunden, „Danke.“
Mit meinem Glas stell ich mich zu ihm, es ist Punkt irgendwas Uhr, aber wenn es Punkt ist, dann könnte man das Radio einschalten, weil ich will ja auch wissen, was so passiert auf der Welt und wie das Wetter morgen wird.
„Darf ich kurz Ö1 einschalten?“ Ö1, immer eine gute Wahl, mein Mann liebt alles auf Ö1, außer vielleicht die Musikeinlagen. Er liebt Ö1, aber vielleicht nicht gerade jetzt, bemerke ich.
„Hm, ja, …“
Ich schalte kurz ein, dann wieder aus. Eigentlich will ich eh lieber Musik hören. Aber das geht jetzt gar nicht. Ich stell mich wieder hinter ihn, streiche ihm leicht über den Rücken und zwitschere:
„Brauchst noch lange?“
„Hängt davon ab.“
„Wovon?“ frage ich möglichst lasziv.
„Davon, ob ich dich jetzt oder später übers Knie lege.“ Das wiederum klang gar nicht so lasziv.
„Sorry, bin schon still.“
Mir fällt ein, dass ich nicht im Fitnessstudio war, deshalb sollte ich meine Bauchübungen jetzt unbedingt machen. Ich hole mir eine Decke und breite sie neben ihm aus, es ist ja sonst nicht so viel Platz. Und los geht’s, eins, zwei, ich zähle leise mit.
Mein Mann wetzt etwas auf seinem Sessel hin und her. Seine Unruhe nimmt sukzessive zu.
Jetzt noch die Po Übung und ein Bein in die Höhe. Mein Mann wirft mir einen Seitenblick zu, nein, nicht mir, meinem Fuß, der vor ihm auf und ab wandert. Dann steht er auf, geht zum Kühlschrank und holt sich ein Cola, öffnet die Balkontüre und stellt sich raus.
Jetzt zieht es aber schon ein bisserl. „Duuu, machst bitte die Türe wieder zu, es is‘ sooo kalt!“
Er kommt wieder rein und setzt sich an den Schreibtisch, wortlos.
Die Übungen reichen wohl für heute. Ich beschließe, unter die Dusche zu gehen. Ich hab ja auch Sport gemacht, da duscht man halt danach. In der Dusche fällt mir ein, dass ich die Handtücher bereits zur Schmutzwäsche getan hab und die frischen sind im Schlafzimmer. Da stehe ich nun in der Dusche, pitschnass.
Recht zögerlich rufe ich: „Duuuu, kannst mir bitte eine Handtuch bringen, ich hab vergessen, mir eins rauszulegen.“
Ich sehe Ohrenrauch vor meinem geistigen Auge. Ich warte und lausche. Keine Antwort. Dann Sesselrücken und Schritte. Ein Handtuch fliegt über die Duschwand. Ohne Worte.
„Danke.“ Frisch angezogen schmeiße ich mich wieder auf die Couch. Ich blättere eine Illustrierte durch.
„Wow, hast du gewusst, dass der Brat Pitt jetzt Werbung für Chanel macht?“
„Ähm“, setzt er an, „du weißt aber schon, dass ich nach wie vor bei der Arbeit bin, oder? Und der Bradley is‘ mir jetzt echt schnurtz“
„Oh, Tschuldigung, ich war nur gerade so gefesselt.“
Und dann etwas später: „Aber fesch ist er schon….“
„Bist jetzt endlich brav?“ Er möchte ernst klingen, muss aber dann selbst lachen. Dann ist er wieder konzentriert.
Ich stelle mich zum Fenster und beginne zu Grübeln.
„Du, magst du mich jetzt eigentlich mehr oder weniger, als zu der Zeit, als wir uns kennenlernten?“
Das war wohl der Brake Even Point, in der Wirtschaftssprache grob gesprochen jener Punkt, an dem sich alle vorherigen Investitionen zu lohnen beginnen.
Mein Mann steht auf, nein, er erhebt sich, nimmt mich an der Hand und zieht mich zur Garderobe.
„Zieh deine Jacke an, wir gehen zum Italiener!“
Von da an, geht alles seinen gewohnten Gang, wir essen gut, trinken Wein, reden über Gott und die Welt und ich bekomme die Aufmerksamkeit, die ich mir vom ersten Moment eingebildet hab, mir zu wünschen.
Wieder zu Hause bin ich froh und gesättigt, in Herz und Magen. Mein Mann begibt sich wieder zum Schreibtisch, setzt sich zu seiner Arbeit, wissend, dass er jetzt seine Ruhe von mir hat.
Bis ich etwas später bei ihm vorbei komme und säuselnd frage: „Brauchst noch lange????“